„Leseübungen in alten Schriften“ mit der Historikerin und Archivleiterin Dr. Manuela Daschner aus Zell.
So. 08.12.2024 Treffen der GFO-Familienforscher im Landkreis Cham
Leseübungen bei den Familienforschern
Cham/Landkreis. Die Familienforscher im Landkreis Cham der „Gesellschaft für Familienforschung in der Oberpfalz e.V.“ (GFO) trafen sich turnusmäßig am letzten Samstag in der Klostermühle Altenmarkt. Dabei konnte deren Leiterin Elfriede Dirschedl im vollbesetzten Vortragsraum der Klostermühle als Referentin des Abends die promovierte Historikerin und Kreisarchivpflegerin Dr. Manuela Daschner begrüßen.
Zu Beginn stellte sich Dr. Daschner vor und zeigte ihren Werdegang im Lesen alter Schriften auf. Damit die Teilnehmer einen „Spickzettel“ zur Hand hatten, teilte sie ein Blatt mit dem Alphabet der Kurrentschrift und der Sütterlinschrift darauf aus. Außerdem bekamen die Teilnehmer verschiedene Beispiele der „Leseübungen“ ausgeteilt.
Dr. Daschner begann die Leseübungen mit den Pfarrmatrikeln (= Verwaltungs-Schriftgut), die es theoretisch bereits ab dem 16. Jahrhundert gab. Meist findet man sie aber erst ab dem 30-jährigen Krieg. Es wurde auch auf den Link der inzwischen online durchsuchbaren Matrikel des Bischöflichen Zentralarchivs Regensburg hingewiesen. (https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/regensburg) Beim Suchen in Archiven ist immer die Herausforderung die verschiedene Schreibweise der damaligen Priester und die lateinische Sprache. Dazu zeigte Dr. Daschner als Hilfsmittel eine Tafel mit verschiedenen lateinischen Begriffen und Abkürzungen. Auch gab sie einen Hinweis auf das Buch „Vom Abbrändler zum Zentgraf“, ein sehr hilfreiches Wörterbuch aus dem Volk-Verlag.
Die verschiedenen Leseübungen aus dem 17. und 18. Jahrhundert beinhalteten Geburtseinträge, Hochzeitseinträge und Sterbeeinträge in lateinischer Sprache aus den Matrikeln der Pfarreien Zell und Falkenstein. Dabei muss beachtet werden, dass bei den Geburtseinträgen meistens das Taufdatum eingetragen wurde, sowie bei den Sterbeeinträgen meist das Datum der Beerdigung und nicht das Sterbedatum. Bei Taufen wurden auch immer die beiden Paten eines Kindes angegeben. Dies waren jeweils ein männlicher und ein weiblicher Pate pro Täufling – auf lateinisch Patrinus und Patrina.
Eine Leseübung war auch ein Eintrag in den Hochzeitsmatrikeln der Pfarrei Zell aus dem Jahre 1812 in Tabellenform (nicht mehr in Textform). Aus ihm konnte man auf der 1. Seite entnehmen das Datum, den Namen des Bräutigams, seinen Stand (1/2-Bauer) und seine Religion, das Landgerichts seines Aufenthalts, Wohnort und Hausnummer, die Namen der Eltern, ob er ledig oder verwitwet war, den Namen der verstorbenen Gattin, wann und wo er geboren wurde und dass er die „Heuratsconfess ohne Dispens“ der Pfarrei Falkenstein erhalten hatte.
Auf der 2. Seite stand der Name der Braut, ihr Stand und ihre Religion, das Landgericht ihres Aufenthalts, Wohnort und Hausnummer, der Name ihrer Eltern, ob sie ledig oder verwitwet war, der Name ihres verstorbenen Gatten und wo dieser verstorben war, wann und wo sie geboren wurde, der Name des eintragenden Pfarr-Kooperators und die Namen der beiden Zeugen.
Bei einem Sterbeeintrag von 1831 in Tabellenform konnte man lesen, dass zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die Pfarrei angegeben wurde, sondern das zuständige Landgericht und als Todesursache stand darin „Brustdefekt“.
Briefprotokolle wurden im Gegensatz zu den Matrikeln von offiziellen Schreibern geschrieben und sind deshalb besser lesbar. Auch gab es im 18. Jahrhundert mehr formale Vorgaben. Briefprotokolle wurden in Bayern flächendeckend vom 16. Jahrhundert bis zum Jahr 1862 beim zuständigen Niedergericht (= z.B. Hofmark oder Herrschaftsgericht) geführt. Sie sollten die Rechtshandlungen der „Freiwilligen Gerichtsbarkeit“ in Protokollform festhalten. Untertanen mussten sich für Rechtsgeschäfte einen Brief, bzw. eine Urkunde ausstellen lassen, deren Inhalt im Protokollbuch ebenfalls festgehalten wurde. Die Bevölkerung war dazu verpflichtet, sich Briefprotokolle ausstellen zu lassen und musste auch für diese bezahlen – dies waren Einnahmen für die Herrschaft oder den Hofmarksherrn.
Inhalte von Briefprotokollen waren meist Heiratsverträge, Übergabeverträge, Ausnahm-Verträge, Testamente, Kaufverträge, Erbschaftsangelegenheiten, Bürgschaften, Inventarlisten uvm. Gerichtsprotokolle wurden meistens nach einiger Zeit vernichtet. Briefprotokolle sind in der Regel im zuständigen Staatsarchiv zu finden – bei uns sind das die Staatsarchive in Amberg und in Landshut. Ab dem Jahre 1862 wurden Notariatsurkunden eingeführt.
Die Leseübung beinhaltete auch einem Übergabebrief von 1684, der sich noch auf 2 Seiten beschränkte. Der zweite Übergabebrief von 1795 war bereits 8 Seiten lang. Durch die umfangreichere Form gibt er Forschern auch soziale Informationen vom Leben in der damaligen Zeit.
Wer Schwierigkeiten hat mit dem Lesen alter Schriften kann sich auch die KI-basierte Übersetzungshilfe „Transkribus“ zu Hilfe nehmen. An einem bereits gelesenen Beispieltext wurde die KI-Übersetzung demonstriert und deren Fehler besprochen.
Kurz ging Dr. Daschner noch auf die Grundsteuerkataster ein. Sie wurden angefertigt ab 1808 im Zuge der ersten bayerischen Landvermessung. Denn die Erfassung der Grundstücke sollte eine gerechte Besteuerung ermöglichen. Festgehalten wurden die zu einem Anwesen gehörenden Grundstücke, Besitzzugänge und Besitzabgänge, Eigentümerwechsel und Neu-Einmessungen im Zuge von Baumaßnahmen. Grundsteuerkataster befinden sich im zuständigen Staatsarchiv. Damit schloss Dr. Daschner ihre „Leseübungen in alten Schriften“. Im Anschluss beantwortete sie noch vielfältige Fragen der Zuhörer.
Im Namen der vielen Teilnehmer bedankte sich die Leiterin der GFO-Familienforscher im Landkreis Cham, Elfriede Dirschedl, bei Dr. Manuela Daschner herzlich für diese sehr informativen und lehrreichen Leseübungen mit einem kleinen Präsent.
Auch wünschte Elfriede Dirschedl allen Anwesenden eine gesegnete Weihnachtszeit und Gesundheit für alle im neuen Jahr.
Bericht erstellt von Elfriede Dirschedl, 1. Vorstand „Gesellschaft für Familienforschung in der Oberpfalz e.V.“ (GFO) und Leitung der GFO-Familienforscher im Landkreis Cham.